Rabbiner Uzi Sharbaf, der 1984 zu lebenslanger Haft verurteilt wurde, spricht vor Tausenden jüdischen Suprematisten.

Die Konferenz für Israels Sieg

Vor zwei Wochen fand im Jerusalem International Convention Center eine feierliche Veranstaltung mit Gesangstars statt. Sie trug den Titel "Konferenz für Israels Sieg – Siedlungen bringen Sicherheit: Rückkehr in den Gazastreifen und Nord-Samaria". 12 amtierende Minister, darunter Premierminister Benjamin Netanjahu, nahmen daran teil.

Doch keine politische Persönlichkeit, nicht einmal Sicherheitsminister Itamar Ben Gvir, erhielt solche frenetische Ovationen, wie Rabbi Uzi Sharbaf sie erhielt. Eine im Ausland bisher unbekannte Figur, die nun im Mittelpunkt der israelischen Debatte steht. Durch seine Anwesenheit entfachte der Rabbi bei den Teilnehmern die Hoffnung auf Wiedergutmachung dessen, was sie als "Sünde" des Rückzugs der jüdischen Siedlungen aus Gaza im Jahr 2005 ansehen.

In den folgenden Stunden sagte Yaakov Margi (von der Partei Shas), Minister für soziale Wohlfahrt und soziale Angelegenheiten, seine Kollegen hätten es sich "zweimal überlegen" sollen, bevor sie sich in diesen Zirkus begaben. Oppositionsführer Yair Lapid beklagte, dass Benjamin Netanjahu, "der einst im Zentrum des nationalen Lagers stand, von Extremisten ziellos mitgeschleift wird", nun "am Tiefpunkt angelangt" sei.

General Benny Gantz sagte, die Konferenz sei "eine Beleidigung für die israelische Gesellschaft in Kriegszeiten. Dies schadet unserer Legitimität in der Welt und unseren Bemühungen, einen Rahmen für die Rückkehr unserer Geiseln zu schaffen." Mit Blick auf die Teilnahme des Ministerpräsidenten fuhr er fort: "Wer tanzt und spaltet, entscheidet nicht, und wer schweigt und sich mitreißen lässt, ist kein Führer."

Auf einem Transparent war zu lesen: "Nur ein Transfer [der Palästinenser aus Gaza] kann Frieden bringen." Währenddessen zeigt eine Karte die nächsten israelischen Städte in Gaza.

Am nächsten Tag unterzeichnete Präsident Joe Biden, als hätte er Angst vor der Rückkehr eines alten Dämons, eine Verordnung, die es einigen extremistischen Siedlern verbietet, in die Vereinigten Staaten zu kommen, und die insbesondere jegliche Spendensammlung und Überweisung von Geld zugunsten der Männer von Rabbi Uzi Sharbaf verbietet. Diese Sanktionen gelten nicht nur für die Vereinigten Staaten, sondern auch für alle ausländischen Banken mit Interessen in den Vereinigten Staaten, also letztlich für den gesamten politischen Westen [1].

Hinzu kommt, dass die Biden-Regierung, die das Massaker in Gaza bisher stillschweigend mit Granaten und anderer Munition unterstützt hatte, plötzlich begonnen hat, einen Ausweg aus der Krise zu suchen. US-Außenminister Antony Blinken hat sich auf eine neue Tour durch die Hauptstädte der Region begeben, diesmal mit Vorschlägen.

Warum hat also Rabbi Uzi Sharbafs Auftritt im Rampenlicht der Öffentlichkeit solche Reaktionen hervorgerufen? Um das zu verstehen, müssen wir bis zum Jahr 1922 zurückgehen. Innerhalb der revisionistischen zionistischen Bewegung gibt es in der Tat eine noch fanatischere Gruppe, die nicht zögert, die Angelsachsen anzugreifen.

Die "Stern-Bande"

Die "revisionistischen Zionisten" sind die Anhänger von Wladimir Ze’ev Jabotinsky, einem ukrainischen Faschisten, der 1922 ein Bündnis mit den ukrainischen "integralen Nationalisten" Symon Petljura und Dmitro Donzow gegen die Sowjets einging. Während dieses Bündnisses massakrierten die "integralen Nationalisten" nicht nur ukrainische Anarchisten und ukrainische Kommunisten, sondern auch Zehntausende ukrainische Juden. Da Jabotinsky Erklärungen verweigerte, trat er als Verwalter der Zionistischen Weltorganisation zurück und gründete die Allianz revisionistischer Zionisten. Er gründete in Italien mit Hilfe des Duce Benito Mussolini, den Betar, eine faschistische paramilitärische Formation.

Am Ende des Zweiten Weltkriegs verfolgten die "revisionistischen Zionisten" ihren faschistischen Traum, nun ohne die Hilfe ihrer italienischen Kollegen. Sie trennten sich von der jüdischen Gemeinschaftsmiliz in Palästina, der Hagana, und gründeten ihre eigene Miliz, die Irgun [2].

In einem Brief an die New York Times verglichen Albert Einstein, Hannah Arendt und andere jüdische Persönlichkeiten die Irgun mit faschistischen und nationalsozialistischen Formationen [3].

Aus der Irgun selbst entstand die Lehi (bekannt als "Stern Group" oder nach Angaben der britischen Polizei "Stern Gang" [4]). Diese Gruppe war direkt mit der polnischen faschistischen Regierung verbunden (Avraham Stern war an der ersten Version des "Madagaskar-Plans" beteiligt). Stern wurde zu Beginn des Zweiten Weltkriegs zusammen mit den Führern seiner Gruppe von den Briten verhaftet, aber freigelassen, als sich die polnische Regierung im Londoner Exil neu konstituierte. Lehi nahm den Kontakt zu den italienischen Faschisten wieder auf und bot den Nazis an, ihnen bei der Vertreibung der Juden aus Europa nach Palästina zu helfen. Nach einigem Zögern weigerten sie sich. In den ersten beiden Kriegsjahren verübte Lehi zahlreiche Anschläge auf Briten und linke Juden. Avraham Stern wurde im Februar 1942 von einem britischen Kriminalbeamten verhaftet. Lehi wurde dann von Yitzhak Shamir, der seine Rivalen ermordete, reorganisiert.

1944 nahm Lehi seine Angriffe auf die Briten wieder auf. Sein Versuch den Hohen Kommissar in Palästina, Harold MacMichael zu eliminieren schlug zwar fehl, aber Lehi gelang es, den Kolonialminister Lord Moyne zu ermorden.

Die politischen und militärischen Autoritäten Großbritanniens wurden von der Stern-Bande bei einem Bombenanschlag auf das King David Hotel, in dem sich ihr Hauptquartier befand, ermordet.

David Ben-Gurion, der den Briten treu blieb, startete eine Haganah-Kampagne, um die Aktionen von Irgun und Lehi zu stoppen. Viele ihrer Mitglieder wurden verhaftet. 1945 arrangierte Ben-Gurion jedoch heimlich eine Versöhnung mit den revisionistischen Zionisten, der "Hebräischen Revolte". Dieses kurze Bündnis hielt nicht lange. Lehi organisierte den Anschlag auf das Sekretariat der britischen Mandatsregierung für Palästina und sein Militärkommando, die sich beide im King David Hotel befanden. Er forderte 91 Tote und 46 Verletzte. Lehi hat seine terroristischen Aktivitäten mit der Verhaftung von Yitzhak Shamir nicht eingestellt. Stattdessen weitete er sie auf London aus, bis sich die Briten aus Palästina zurückzogen. Danach nahm er die Araber ins Visier und verübte das Massaker von Deir Yassin.

Die Irgun und Lehi wurden schließlich in die israelischen Streitkräfte eingegliedert, als der Staat einseitig proklamiert wurde. Die Vereinten Nationen entsandten jedoch den schwedischen Grafen Folke Bernadotte, um die Grenzen der beiden Staaten, des jüdischen und des arabischen, festzulegen. Yitzhak Shamir organisierte daraufhin dessen Ermordung [5]. Yehoshua Cohen führte sie aus. Nebenbei bemerkt, wurde der französische Oberst der Blauhelme, André Sérot, auch dabei ermordet, und Pierre Gaïsset (Großvater des Autors dieses Artikels) übernahm seine Stelle. Die "revisionistischen Zionisten" änderten daraufhin ihr Etikett und gründeten eine neue Partei, die Herut, deren Vorsitzender Menachem Begin wurde. 1952 gründete Yehoshua Cohen den Kibbuz Sde Boker. Als Premierminister David ben Gurion im folgenden Jahr dem Kibbuz beitrat, wurde Yehoshua Cohen sein Leibwächter.

Rabbiner Uzi Sharbaf, Star der israelischen Siegeskonferenz

Der "Jüdische Untergrund"

Von der Stern-Gruppe fehlt danach jegliche Spur. Nach dem "Sechstagekrieg" entwickelte der Block der Gläubigen (Gush Emunim) jedoch die Idee, dass Jahwe ganz Palästina den Juden gegeben habe. Sie hatten nicht nur das Recht, es zu besetzen, sondern auch die Pflicht, es zu tun, damit sich die Prophezeiungen erfüllten. Diese Bewegung entwickelte sich um Rabbiner Zvi Yehuda Kook. Er lehrte, dass die ersten säkularen Israelis tatsächlich mit dem Werk begonnen hatten, aber dass nur die Kleriker die Richtung kannten und es vollenden konnten.

In diesem Zusammenhang schuf Yehuda Etzion, der Sohn eines Bandenmitglieds, die Stern-Gruppe erneut. Er benutzte das gleiche Logo: eine Faust, zwei erhobene Finger. Der neue Name: "Jüdischer Untergrund". Nach dem Abkommen von Camp David, das 1978 von dem ehemaligen Muslimbruder Anwar Sadat und dem revisionistischen Zionisten Menachem Begin unterzeichnet wurde, wurde die Stern-Gruppe formell organisiert. Sie widersetzte sich der Rückgabe des Sinai durch Israel an Ägypten. Sie bildete zwei Zellen. Die erste, angeführt von Yehuda Etzion selbst, zerstörte den Felsendom im Zentrum der Al-Aqsa-Moschee, um den Tempel in Jerusalem wieder aufzubauen. Die zweite besteht darin, Terror unter den antikolonialistischen Arabern zu säen.

Rabbiner Uzi Sharbaf war der Chef des "Jüdischen Untergrunds". Er wurde 1984 zu lebenslanger Haft verurteilt, weil er an einer Reihe tödlicher Anschläge auf Palästinenser beteiligt war. Er wurde 1991 heimlich von zwei revisionistischen Zionisten, Präsident Chaim Herzog und Premierminister Yitzhak Shamir, freigelassen. Seine Anwesenheit und der donnernde Empfang, den er von Tausenden von Aktivisten erhielt, erwecken Ängste vor einer Rückkehr des zionistischen Terrorismus gegen die Angelsachsen. Washingtons Reaktion zeigt, dass aus seiner Sicht die Duldung von Verbrechen an Arabern im Falle einer Drohung gegen sich selbst ihr Ende finden muss.

 
 
Übersetzung
Horst Frohlich
Korrekturlesen : Werner Leuthäusser
 
 

 

Israels schlimmster Albtraum könnte Realität werden
Linke israelische Aktivisten demonstrieren in Tel Aviv gegen die Angriffe auf Rafah (13.02.2024).

Israels schlimmster Albtraum könnte Realität werden

Die von Deutschland als antisemitisch denunzierte Boykottbewegung gegen Israel gewinnt an Fahrt. Ein niederländisches Berufungsgericht hat die Regierung angewiesen, Exporte von Ersatzteilen für den F-35-Kampfbomber nach Israel zu blockieren, weil sie zu Menschenrechtsverletzungen beitragen würden.
 

Von Rainer Rupp

Nach mehr als vier Monaten seit dem 7. Oktober liegt ein Großteil des dicht besiedelten Gazastreifens in Trümmern. Die offizielle Zahl der von israelischen Bomben und Granaten massakrierten palästinensischen Zivilisten wird von Reuters zum 12. Februar 2024 mit 28.340 angegeben, die der Verwundeten mit 67.984. Die Zahl der vielen anderen Menschen, Groß und Klein, Alt und Jung, von denen angenommen wird, dass sie unter den Trümmern der zerbombten Wohnhäuser, Kindergärten, Schulen und Krankenhäuser begraben liegen, ist nicht einmal abzuschätzen.

Auch am 12. Februar hat die "humanitärste Armee der Welt", wie Ministerpräsident Benjamin Netanjahu jüngst seine zionistische Soldateska gegen die weltweit zunehmenden Beschuldigungen des Genozids verteidigt hat, mit ihren Massakern an der palästinensischen Zivilbevölkerung weitergemacht. Bei einer israelischen Operation in der im Süden des Gazastreifens liegenden Stadt Rafah sind laut der palästinensischen Gesundheitsbehörde mindesten 74 Menschen getötet worden, hauptsächlich durch Luftangriffe.

Vor dem israelischen Vernichtungskrieg gegen die Palästinenser wohnten im Gazastreifen eng gedrängt etwa 2,3 Millionen Menschen. Rafah zählte vor dem 7. Oktober etwa 270.000 Einwohner. Zur Erinnerung: Der Gazastreifen ist ein mit Stacheldraht auf hohen Mauern und schwer bewaffneten israelischen Soldaten in befestigten Wachtürmern hermetisch nach außen abgeriegeltes Gebiet. Mit Fortschreiten der systematischen Zerstörung der Städte und Siedlungen im Norden des Streifens sind immer mehr Einwohner vor der vorrückenden israelischen Armee (IDF) in seinen südlichen Teil geflohen. Inzwischen wird die Zahl der Menschen in Rafah auf 1,3 Millionen Menschen geschätzt.

Am 12. Februar hat die israelische Armee den Angriff gegen diese Stadt begonnen, und Netanjahu hat die dort dicht gedrängten Menschen mit monströsem Zynismus angewiesen, sie "zur eigenen Sicherheit" sofort zu verlassen. Aber wohin? Selbst wenn es einen Weg aus dem Gaza-Lager gäbe, wie könnte man einen solchen Strom logistisch bewältigen? Außerhalb der Stadt gibt es nur noch Wüstenlandschaft.

Die Versorgung der Flüchtlinge im Gazastreifen mit Wasser, Lebensmitteln und Medizin war in den letzten vier Monaten bereits unter urbanen Bedingungen trotz besten Willens der Helfer ungenügend. Laut dem UN-Hilfswerk UNRWA war schon vor der Einstellung der Lebensmittelhilfe durch den Großteil der "humanitären Leuchttürme" des prozionistischen Wertewestens jeder vierte Mensch im Gazastreifen vom Hungertod bedroht.

Eine Vertreibung von 1,3 Millionen Menschen aus Rafah in das umliegende, zum Gazastreifen gehörende Wüstengebiet, wie es offensichtlich die Netanjahu-Regierung plant, könnte Dimensionen annehmen, die womöglich mit dem Genozid an den vor über hundert Jahren ebenfalls in die Wüste getriebenen Armeniern vergleichbar wären. Letztere Tragödie war vom deutschen Bundestag im Juni 2016 mit großer Mehrheit als Völkermord anerkannt worden.

Wer im prozionistischen Wertewesten angesichts des vom Internationalen Gerichtshof (IGH) vermuteten Genozids Israel weiter vorbehaltlos mit Waffen unterstützt, wie es jüngst die Ampelkoalition mit der Lieferung von 20.000 Schuss Panzermunition getan hat, muss damit rechnen, am Ende der IGH-Untersuchungen selbst der Beihilfe zum Völkermord beschuldigt zu werden.

Da ist der Beschluss des niederländischen Berufungsgerichts mehr als verständlich, in dem die niederländische Regierung am 12. Februar angewiesen wurde, alle Exporte von Ersatzteilen für den hochmodernen US-Kampfjet vom Typ F-35 nach Israel zu blockieren. Es müsse befürchtet werden, "dass der Transfer zu Menschenrechtsverletzungen durch die israelischen Streitkräfte" beitragen wird.

Laut der britischen Nachrichtenagentur Reuters heißt es in dem Beschluss wortwörtlich: "Es ist unbestreitbar, dass es ein klares Risiko gibt, dass die exportierten F-35-Teile für schwere Verletzungen des humanitären Völkerrechts verwendet werden." So schlimm ist das "unantastbare" Israel mit seiner angeblich "humanitärsten Armee der Welt" und mit seiner über alle Zweifel erhabenen moralischsten Regierung im Westen öffentlich noch nie abgewatscht worden. Man kann sicher sein, dass die deutschen Qualitätsmedien diesen "eindeutig antisemitischen" Gerichtsbeschluss bequemerweise im Gedächtnisloch entsorgen werden. Zumal er das eigene Narrativ vom "noblen und edlen Israel" in Stücke reißt.

Der Anordnung des Gerichts muss der (niederländische) Staat innerhalb von sieben Tagen nachkommen. Einen Antrag von Anwälten der Regierung in Den Haag, "die Anordnung bis zur Entscheidung über die Berufung vor dem Obersten Gerichtshof auszusetzen", wiesen die Richter ab.

Laut Geoffrey van Leeuwen, Handelsminister der Niederlande, ist ein Exportstopp von US-F-35-Teilen an Israel nicht gerechtfertigt. Die F-35 diene auch "dem Schutz Israels vor den vielen regionalen Bedrohungen", denen es ausgesetzt sei, "zum Beispiel aus Iran, dem Jemen, Syrien und dem Libanon". So wird versucht, den Gerichtsbeschluss zu unterlaufen, und zwar mit dem Argument, dass die Ersatzteile nur für jene F-35 verwendet würden, die nicht an den Angriffen in Gaza teilnehmen. Aber solange die israelischen Luftangriffe gegen den Gazastreifen anhalten, sieht es nicht danach aus, als ob sich der vorsitzende Richter Bas Boele auf diesen "Kompromiss" einlassen würde.

Andererseits will der Richter den Ruf der Niederlande als verlässlicher Lieferant im weltweiten Lockheed-Martin-Ersatzteilnetz nicht vollends aufs Spiel setzen. Daher ließ er die Möglichkeit offen, in Zukunft den Export von F-35-Teilen nach Israel zu erlauben, aber nur unter der strengen Bedingung, dass sie nie wieder bei militärischen Operationen im Gazastreifen eingesetzt würden.

Die F-35 ist nicht nur als besonders teurer Jet-Fighter und als fliegender Computer, sondern auch als besonders störanfälliges Kampfflugzeug bekannt. Trotzdem ist er dank einer ausgeklügelten Werbekampagne in vielen prowestlichen Ländern zu einem Objekt der Begierde, zu einem militärischen Statussymbol geworden. Um den weit verbreiteten F-35-Jets einen zeitnahen Ersatzteil- und Reparaturservice zu bieten, hat Lockheed Martin rund um die Welt regionale Servicecenter eingerichtet, eines davon in den Niederlanden. Die Zuverlässigkeit dieser durchaus sinnvollen Servicestrategie wird jetzt durch das Gerichtsurteil, das die US-Lieferkette für Rüstungsgüter nach Israel unterbrochen hat, infrage gestellt.

Die Regierung in Den Haag bemüht sich laut Reuters darum, ihre Partner davon zu überzeugen, dass sie ein verlässliches Mitglied des F-35-Programms sei und dies auch in anderen Formen der internationalen und europäischen Kooperation bleiben werde. Lockheed Martin selbst kündigte in einer Erklärung an, dass es die Auswirkungen des niederländischen Gerichtsurteils auf seine Lieferkette auswerten werde und bereit sei, "die US-Regierung und Verbündete nach Bedarf direkt zu unterstützen".

Unterdessen nimmt der humanitäre Druck auf Israel weiter zu. China hat Israels Regierung mit starken, wenn auch diplomatischen Worten nahegelegt, Rafah nicht anzugreifen. Während der Internationale Gerichtshof weiter die Genozid-Klage gegen Israel prüft, hat jetzt auch der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell alle Israel-Unterstützer aufgefordert, ihre militärischen Lieferungen an Tel Aviv einzustellen. Damit nimmt er ostentativ eine zu Deutschland und seiner deutschen Chefin Ursula von der Leyen diametral entgegengesetzte Position ein.

Borrell beklagte am Montag, dass im Gazastreifen "zu viele Menschen" getötet würden. Zugleich trat er dem US-Präsidenten kräftig ans Schienbein. Unter Anspielung auf Joe Bidens Bemerkung von letzter Woche, Israels Militäraktion im Gazastreifen sei "übertrieben", sagte Borrell: "Nun, wenn Sie glauben, dass zu viele Menschen getötet werden, sollten Sie vielleicht weniger Waffen bereitstellen, um zu verhindern, dass so viele Menschen getötet werden. … Wenn die internationale Gemeinschaft glaubt, dass es sich um ein Gemetzel handelt, dass zu viele Menschen getötet werden, müssen wir vielleicht die weitere Bereitstellung von Waffen hinterfragen."

Ein Blick in die Pressekonferenzen des US-Außenministeriums und des Weißen Hauses zeigt einmal mehr die unerträgliche Heuchelei der USA. Die Zahl der Todesopfer durch Israels Aktionen wird zwar verurteilt, aber Washington pumpt weiter Waffen nach Israel.

Der bekannte investigative AP-Journalist Matt Lee befragte den Sprecher des Außenministeriums Matt Miller. Er wollte Einzelheiten über die Art des durch das Weiße Haus auf die Netanjahu-Regierung zur Mäßigung des im Gazastreifen ausgeübten Drucks in Erfahrung bringen.

Frage von Matt Lee: "Welche Hebel nutzen WIR?"

Matt Miller: "Die Worte des Präsidenten ... sind wichtig."

Matt Lee "Das Wort 'übertrieben'? Das ist der Hebel?"

Matt Miller: "Ja, doch, doch! Die Worte des US-Präsidenten und die des US-Außenministeriums haben eine Wirkung gezeigt. Vielleicht nicht immer so ganz, wie wir das wollten, aber sie haben Wirkung gezeigt."

Und so wirkt das Wort des US-Präsidenten: Zwei Tage nachdem Biden Israels Verhalten als "übertrieben" bezeichnet hatte, griff Israel am 12. Februar die letzte Zuflucht für 1,3 Millionen Palästinenser an und tötete nach jüngsten Angaben mehr als 90 Menschen.

Das politische Establishment in Washington, egal welcher Partei, dient Israel weiter als mächtiger Schutzwall. Doch selbst in den USA bröckelt die Geduld, und in NATO-Europa zeigt der Damm des Schweigens erste Risse. Der Druck der Bevölkerung, die auf die offenkundigen Massaker an unschuldigen Menschen im Gazastreifen mit Abscheu und Empörung reagiert, spiegelt sich sowohl im Lieferstopp der F-35-Ersatzteile als auch im Aufruf Borrells zu einem Ende der Waffenlieferungen an Israel. 

Die Anzeichen mehren sich, dass Israels schlimmster Albtraum wahr wird und die Boykott-Bewegung an Fahrt gewinnt. Die Antisemitismuskeule ist gegen Kritik an Israel immer weniger wirksam. Gegen den Massenmord von Kindern zu protestieren und auch konsequent, wie jetzt in den Niederlanden, Lieferstopps zu verhängen, ist eben kein Antisemitismus.

Mehr zum Thema - Wertewesten verurteilt wissentlich Hunderttausende in Gaza zum Hungertod

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Ein Schuft, der Böses dabei denkt – USA blockieren Autos von VW und Porsche
Fahrzeugverladung in Emden, 02.09.2023
 

Ein Schuft, der Böses dabei denkt – USA blockieren Autos von VW und Porsche

Derzeit läuft die nächste Runde des US-amerikanischen Wirtschaftskriegs gegen deutsche Unternehmen. Aber das deutsche Publikum soll das nicht wahrnehmen. Also wird aus einer US-Erpressung ein Märchen über die bösen, bösen Chinesen.
 

Von Dagmar Henn

In den Vereinigten Staaten dürfte man sich die Hände reiben, wenn man liest, wie folgsam die deutschen Medien berichten. US-Behörden halten Fahrzeuge von VW und Porsche in den Häfen fest und blockieren die Einfuhr, und in Deutschland wird kreuzbrav daraus eine Geschichte über das böse China gemacht.

Dabei braucht man nicht allzu viel Verstand, um zu erkennen, dass das schlicht die nächste Runde des Wirtschaftskriegs gegen Deutschland ist. Dessen erster und folgenreichster Akt die Sprengung von Nord Stream war, die einen gewaltigen Druck erzeugte, Produktionsstätten zu verlagern. Allerdings gingen die US-Pläne an diesem Punkt nicht ganz auf – viele deutsche Konzerne, die man gerne in die Vereinigten Staaten gelockt (oder gedrängt) hätte, entschieden, dass China die bessere Wahl sei, wenn man denn verlagern müsse; schließlich sind die USA ein fallendes Imperium, und der Markt ist auch wesentlich kleiner als der chinesische.

Und jetzt erweist sich, wozu die ganze Nummer rund um die vermeintlich verfolgten Uiguren gut ist. Nicht nur, um US-amerikanische Hersteller von Sportswear zu triezen. Nein, man kann damit ganze Großkonzerne erpressen. Denn es gibt ein US-Gesetz, das die Einfuhr von Produkten verbietet, die möglicherweise aus (samt und sonders unbewiesener) Zwangsarbeit aus Xinjiang stammen könnten. Es muss dabei nicht von den US-Behörden in irgendeiner Art und Weise bewiesen werden, dass die Produktion irgendeines Teils etwas mit der vermeintlichen Zwangsarbeit zu tun hat, sondern die Herstellerfirma muss belegen, dass sie es nicht hat. Was bekanntlich schon logisch ein Problem ist, denn nicht vorhandene Eigenschaften lassen sich schwer beweisen. Wie schreibt da die Süddeutsche Zeitung?

"Der sogenannte Uyghur Forced Labor Prevention Act soll verhindern, dass Produkte aus der Provinz Xinjiang, die unter Zwangsarbeit gefertigt wurden, in die USA eingeführt werden. Anders als beim deutschen Lieferkettengesetz, wo Unternehmen erst nach konkreten Hinweisen auf Zwangsarbeit tätig werden müssen, gilt in den USA grundsätzlich die Annahme, dass Produkte aus Xinjiang verdächtig sind. Importeure müssen deshalb nachweisen, dass eben keine Zwangsarbeit im Spiel war. Das ist schwierig, da unabhängige Prüfungen in Xinjiang nach Ansicht von Experten wegen der starken staatlichen Bedrohung nicht möglich sind."

Der letzte Satz dürfte sich wieder mal auf "Experten" wie den Evangelikalen-Pastor Adrian Zenz beziehen, die Reinkarnation der "Syrischen Informationsstelle für Menschenrechte". Könnte man also getrost ignorieren. Die Vermutung, dass sich chinesische Behörden irgendwie Bemühungen durch VW in den Weg stellen würden, zu belegen, dass da eben keine "Zwangsarbeit" stattgefunden habe, ist ganz und gar nicht nachzuvollziehen. Aber die Süddeutsche liefert dann auch gleich das Beispiel dafür, wie man dem US-amerikanischen Manöver auch noch Deckung verschafft: "In den US-Häfen hängen deshalb seit Inkrafttreten des Gesetzes Mitte 2022 regelmäßig Waren im Wert von Hunderten Millionen Dollar fest."

Weil die USA natürlich grundsätzlich die Verkörperung des Edelmuts sind und sich für die armen, leidenden uigurischen Zwangsarbeiter in die Bresche werfen, soll das suggerieren und gar nicht erst den Gedanken aufkommen lassen, dass es hier mitnichten um Uiguren geht. Sondern darum, dass der Konzern VW seine Produktion gefälligst unter Kontrolle der Vereinigten Staaten bringen und nicht im feindlichen China ausbauen soll.

VW will nun in den betroffenen 13.000 Neuwagen im Hafen ein bestimmtes Teil austauschen, was einige Zeit dauern dürfte. Ein Zulieferer habe dieses eine Teil verbaut, und Volkswagen selbst habe die US-Behörden darüber informiert, behauptet die Tagesschau. Wer auch immer das glauben will, mag das glauben; aber die ganze Affäre sieht einfach zu sehr nach typischer US-amerikanischer Erpressungsmethode aus. Und dürfte schlicht Teil einer Kampagne sein, in der die USA Druck auf alle größeren deutschen Unternehmen ausüben, die nun wegen der höheren Energiepreise verlagern wollen, dies gefälligst in Richtung der Vereinigten Staaten zu tun.

"Volkswagen steht seit Langem wegen seiner Aktivitäten in Westchina in der Kritik", sekundiert da dann auch noch die Tagesschau, in der der Verstand ebenfalls nicht weit genug reicht, hinter der propagandistischen Erzählung die harten wirtschaftlichen Interessen zu erkennen. Was gewissermaßen schon vorhersagt, dass beispielsweise das Auswärtige Amt auf dieses bösartige Manöver mit einem Kotau reagieren wird und das Habeck-Ministerium nicht nach den Gütern sucht, deren Einfuhr man nun den Amerikanern verweigern könne.

Nein, es geht um Wirtschaft, aber alle reden sie brav von Moral. Und man kann sich schon genau vorstellen, wie Bundeskanzler Scholz reagiert. Mit dem gleichen dümmlichen Grinsen wie damals, bei der Ankündigung der Nord-Stream-Sprengung durch US-Präsident Joe Biden.

Mehr zum Thema - Medienbericht: Jedes dritte Unternehmen erwägt Verlagerung ins Ausland

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Sergei Karaganow: Weshalb Russland Europa endgültig aufgeben und sich gänzlich Asien zuwenden muss

Sergei Karaganow: Weshalb Russland Europa endgültig aufgeben und sich gänzlich Asien zuwenden muss

Europa ist am Ende, und Russlands geografische und kulturelle Vorteile bedeuten, dass es nicht mit dem sinkenden Schiff untergehen muss. Mit der Schaffung einer Strategie der Hinwendung nach Osten würde Russland zur Quelle seiner Macht und Größe zurückkehren.
 

Von Sergei Karaganow

Ende der 2000er Jahre diskutierten wir im Kreise von Kollegen über die Vorzüge und Notwendigkeit für Russland, sich dem Osten zuzuwenden. Etwa zur selben Zeit arbeiteten der damalige russische Minister für Katastrophenschutz Sergej Schoigu und seine Kollegen in dieselbe Richtung. Die Konzepte und Schwerpunkte dieser Herausforderung umfassten ganz Sibirien und den Ural. Es kam jedoch anders: Der Dreh- und Angelpunkt nach Asien und seinen Märkten verlief administrativ hauptsächlich über den pazifischen Fernen Osten Russlands.

Die Wende, die in den 2010er Jahren begann, war zwar erfolgreich, allerdings nur teilweise. Vor allem, weil der russische Ferne Osten künstlich vom viel bevölkerungs- und ressourcenreicheren sowie weiter industrialisierten Ost- und Westsibirien abgekoppelt wurde. Außerdem litt der Ferne Osten Russlands weiterhin unter dem "Fluch" der Abgeschiedenheit von den wesentlichen globalen Märkten. Nun erfordert die neue geostrategische Lage dringend eine Rückkehr zur ursprünglichen Idee. Zur Idee, sich dem Osten zuzuwenden, durch die primäre Erschließung ganz Sibiriens, inklusive des Urals. Mit anderen Worten, wir sprechen von der "Sibirisierung" der gesamten Russischen Föderation. Westeuropa bleibt für Russland für viele Jahre verschlossen und sollte auch nie wieder ein bevorzugter Partner werden, während Asien sich rasant weiterentwickelt.

Die großartige Literatur Russlands ist auch ein Produkt des Westens

Der vom Westen provozierte und entfesselte Krieg in der Ukraine sollte uns nicht von der Orientierung nach Süden und Osten ablenken, dort, wohin sich der Schwerpunkt der globalen Entwicklung verschiebt. Diese neue, aber schon lange vorhersehbare Entwicklung ruft uns dazu auf, in unsere "Heimat" zurückzukehren. Die "europäische Reise", die mehr als 300 Jahre andauerte, hat Russland zwar viel gebracht, ist aber schon vor langer Zeit –in Wirklichkeit vor einem Jahrhundert – beendet worden und hat ihren Nutzen erschöpft.

Ohne diese von Peter dem Großen initiierte Reise hätte Russland nicht viele Erfolge erzielen können. An erster Stelle steht die wohl bedeutendste Literatur der Welt, als Ergebnis der Verschmelzung russischer Kultur, Religion und Moral mit der westeuropäischen Kultur. Dostojewski, Tolstoi, Puschkin, Gogol, Blok, Pasternak, Solschenizyn und andere Giganten der Literatur, die Russlands moderne Identität geprägt haben, hätte es ohne die "europäische Impfung" wohl kaum gegeben.

In diesen drei Jahrhunderten hat Russland seine östlichen Wurzeln des Staates und des Volkes teilweise vergessen. Die Mongolen plünderten zwar, förderten aber auch eine gewisse Entwicklung. Schließlich hat Russland in der Kooperation mit ihnen von vielen Elementen ihrer Staatlichkeit gelernt, wodurch ermöglicht wurde, einen mächtigen Zentralstaat und ein kontinentales Denken zu etablieren. Vom Reich des Dschingis Khan scheint Russland auch seine kulturelle, nationale und religiöse Offenheit geerbt zu haben, wobei die Mongolen den Russen ihre Kultur oder ihren Glauben nicht aufgezwungen haben. Tatsächlich waren die Mongolen in religiösen Belangen sehr offen.

Aus diesem Grund schloss Fürst Alexander Newski ein Bündnis mit den Mongolen, um so Russland zu bewahren. Großrussland wäre ansonsten nicht entstanden. Wahrscheinlich hätte es auch nicht in den von Feinden aus dem Westen und Süden belagerten russischen Ebenen überlebt, wäre das russische Volk nicht ab dem 16. Jahrhundert massenhaft "hinter den Stein" – den Ural – gezogen, um "der Sonne zu begegnen". Abgesehen von einem Eingreifen Gottes ist die Geschwindigkeit dieses Impulses unerklärlich. Die Kosaken erreichten die Küste des Pazifischen Ozeans innerhalb von sechs Jahrzehnten.

Die Erschließung Sibiriens machte aus der alten Rus, dem russischen Königreich, Großrussland. Schon bevor Sibirien zum Teil des Imperiums erklärt wurde, ermöglichten es die dortigen Ressourcen – zunächst Pelze, dann Silber, Gold und andere Bodenschätze –, eine mächtige Armee und eine schlagkräftige Marine aufzustellen. Eine wichtige Rolle spielten dabei die Karawanen der nördlichen Seidenstraße, die chinesische Waren im Tausch gegen Pelze nach Russland und darüber hinaus transportierten. In Sibirien begannen die Russen im Handel eng mit den Zentralasiaten zusammenzuarbeiten.

Sibirien hat das Beste des russischen Charakters entscheidend gestärkt: kulturelle Offenheit, dazu Willenskraft und immensen Mut. Sibirien wurde von Menschen Dutzender Nationalitäten besiedelt, die sich in die indigene Bevölkerung integrierten. Und natürlich war da auch der Kollektivismus. Ohne gegenseitige Hilfe wäre es unmöglich gewesen, zu überleben und den gigantischen Raum zu beherrschen und den Elementen zu trotzen. So entstand der sibirische Mensch – eine Konzentration der besten Eigenschaften des russischen Menschen. Russen, Tataren, Burjaten, Jakuten, Tschetschenen. Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen. Der prominente Journalist und Schriftsteller Omeltschuk aus Tjumen nannte Sibirien "das Gebräu des russischen Charakters".

Die Leistung der Besten der Elite, wie Witte, Stolypin und ihre Mitstreiter, und jener Menschen, die in kürzester Zeit die Transsibirische Eisenbahn gebaut haben, ist beispiellos. Sie handelten sowohl unter dem ursprünglichen Motto "Der Sonne entgegen" als auch unter einem Motto, das ein konkretes und majestätisches Ziel reflektierte: "Auf zum Pazifischen Ozean!" Heute sollte es ein neues Motto geben: "Auf nach Groß-Eurasien!" Wir sollten für die Arbeit und Opferbereitschaft dieser Menschen dankbar sein, aber auch für die Arbeit jener, die nicht freiwillig nach Sibirien gegangen sind. Sowohl Sträflinge als auch Gefangene des Gulags leisteten einen großen, nie völlig gewürdigten Beitrag zur Entwicklung des Landes.

Es gab das Projekt der sowjetischen Erforschung der Arktis, große Komsomol-Baustellen in Sibirien, wo Vertreter aller Völker der Sowjetunion Hand in Hand arbeiteten, Freunde fanden und Familien gründeten. Sibirisches Öl und Getreide, Pelzmäntel und Pferde aus der Mongolei. Burjaten und das Volk aus der Republik Tuwa – und natürlich weitere sibirische Regimenter – spielten eine entscheidende Rolle beim Sieg gegen Nazi-Deutschland im Zweiten Weltkrieg.

Natürlich gibt es da noch das sibirische Öl und Gas. Aber der größte Beitrag Sibiriens zur gesamtrussischen Staatskasse sind natürlich die Menschen, die dort leben und arbeiten – mutig, hartnäckig und stark. Sie sind die Verkörperung des russischen Geistes. Es ist notwendig, nicht nur die Umsiedlung von Russen aus dem westlichen Teil – auch aus den wiedervereinigten Gebieten im Donbass – nach Sibirien zu fördern. Es ist auch notwendig, die Sibirer, mit ihrer Erfahrung und ihrem Charakter, mit ihrem Gefühl für die Nähe zu Asien, dazu aufzurufen, die Hinwendung nach Osten anzuführen. Generationen unserer Mitbürger, die Sibirien entwickelten, ermöglichten die Märkte der Zukunft in Asien und verwandelten Russland in eine große eurasische Macht. Obwohl sie es damals noch nicht wussten.

Der hoffentlich letzte Angriff des untergehenden Westens

Die vom Westen entfesselte Konfrontation, die dort stattfindenden gesellschaftlichen Prozesse der Desintegration, die von den Eliten angefacht und gefördert werden, sowie die langfristige Verlangsamung der Entwicklung Westeuropas zeigen deutlich, dass die Zukunft Russlands im Osten und im Süden liegt. Und Russland mit seiner einzigartigen Kultur und Offenheit ist aufgerufen, ein wichtiger Teil und eine führende Nation dieses Wandels zu werden, um schließlich zu dem zu werden, was das Schicksal, Gott und die Taten von Generationen seiner Vorfahren vorherbestimmt haben: Nord-Eurasien. Wir erleben die Geburt einer neuen Welt, und in vielerlei Hinsicht ist Russland zu ihrem Geburtshelfer geworden, nachdem Russland das Fundament von 500 Jahren europäisch-westlicher Hegemonie – seine militärische Überlegenheit – erschüttert hat.

Jetzt wehren wir den hoffentlich letzten Angriff des untergehenden Westens ab, der nach einer strategischen Niederlage in der Ukraine versucht, das Rad der Geschichte zurückzudrehen. Diesen Kampf müssen wir gewinnen – auch mit Drohungen und notfalls mit brutalsten Mitteln. Dies ist nicht nur für das Überleben Russlands notwendig, sondern auch, um zu verhindern, dass die Welt in einen Dritten Weltkrieg abrutscht.

Aber ich wiederhole: Der Kampf mit dem Westen sollte Russland nicht von den wichtigsten kreativen Aufgaben ablenken. Und dazu gehört die Neuentwicklung des gesamten Ostens des Landes. Nicht nur die Entwicklung der Geoökonomie und Geopolitik, sondern auch der unvermeidliche Klimawandel in den kommenden Jahrzehnten wird einerseits die Notwendigkeit diktieren und andererseits die Möglichkeit eröffnen, eine neue sibirische Wende für ganz Russland energisch umzusetzen, bei der das Zentrum seiner geistigen, menschlichen und wirtschaftlichen Entwicklung nach Osten verlagert wird.

Die Bodenschätze Sibiriens, seine weitläufigen Ebenen und Wälder und der Überfluss an sauberem Süßwasser sollen unter Einsatz moderner Technologien – und vor allem unter Teilnahme der sibirischen Bevölkerung – zu einer der wichtigsten Grundlagen der eurasischen Entwicklung werden. Die Aufgabe liegt darin, Sibirien in russischer Hand zu behalten und es zum Wohle aller russischen Bürger, des Staates und der gesamten Menschheit zu entwickeln. Bisher liefert Sibirien überwiegend Rohstoffe mit geringem Verarbeitungsgrad. Die Herausforderung besteht darin, gesamtrussische Produktionszyklen unter der Regulierungsfunktion des Staates zu schaffen. Es ist notwendig, die sibirische Maschinenbauindustrie auf moderne Weise wiederaufzubauen und dabei den Auftragsfluss von Verteidigungsunternehmen zu nutzen.

Alle russischen Verwaltungszentren – Ministerien, Gesetzgebungsorgane, Hauptsitze großer Konzerne – sollten in dieselbe östliche Richtung gehen, gefolgt von patriotischen und im besten Sinne des Wortes ehrgeizigen jungen Menschen. Wenn Peter der Große heute noch am Leben wäre, hätte er sicherlich eine neue Hauptstadt in Sibirien gegründet und damit das Fenster nach Asien erheblich erweitert. Neben Moskau und St. Petersburg braucht Russland dringend eine dritte, sibirische Hauptstadt. Die militärisch-strategische Lage, die sich in den kommenden Jahrzehnten entwickeln wird, erfordert dies.

Ich weiß, dass die Bewohner im Ural, von denen viele den feurigen Geist ihrer Vorfahren in sich tragen, sich Russlands Wiederbelebung und Wohlstand wünschen, auch durch die Entwicklung Sibiriens. Leider sehen viele von ihnen keine Perspektive, keine Möglichkeit, ihre Fähigkeiten gemäß ihren Ambitionen anzuwenden. Also ziehen sie in die gut entwickelten Regionen im westlichen Teil Russlands oder brennen stillschweigend in kleinen Städtchen und Dörfern im Osten des Landes aus.

Sibirien-Strategie für ganz Russland

Es liegt in Russlands Macht und Interesse, dieses kolossale Humankapital zu aktivieren, um die Brücken zwischen dem sibirischen Hinterland, den großen Verwaltungszentren und dem Rest Russlands aufrechtzuerhalten und die große geografische und zivilisatorische Achse der Geschichte wiederherzustellen. Die Neuorientierung des Selbstbewusstseins und Denkens der Russen, die Einheit mit der glorreichen Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft Sibiriens im Interesse des ganzen Landes, wird sicherlich einen Widerhall in den Herzen der Sibirer selbst finden.

Die Besten der Besten: Geheimdienst- und Spezialeinheiten härten sich in der Kälte ab
 

Ich wiederhole: Wir brauchen eine Sibirien-Strategie für ganz Russland, nicht nur für den Ural, Sibirien und den Fernen Osten. Die Strategie sollte nicht zu sehr von trockenen wirtschaftlichen Berechnungen geleitet werden, sondern mit der spirituellen und kulturellen Rückkehr der großartigen, atemberaubenden Geschichte der Erforschung des asiatischen Russlands. Es sollten neue Handelsrouten entwickelt werden, die Südsibirien mit der Nordseeroute verbinden und nach China und darüber nach Südostasien führen. Der Ural und die westlichen Regionen Sibiriens sollten einen effektiven Zugang zu Indien, zu den Ländern Südasiens und dem Nahen Osten erhalten. Erfreulicherweise haben endlich, wenn auch verspätet, die Arbeiten an jener Eisenbahnstrecke begonnen, die Russland, einschließlich der sibirischen Regionen, über den Iran mit dem Indischen Ozean verbinden wird.

Es ist auch notwendig, das wasserreiche Sibirien unter Einbeziehung der wasserarmen zentralasiatischen Länder zu entwickeln, die reich an Arbeitskräften sind. Der größere Mangel an Arbeitskräften sollte teilweise durch die Rekrutierung hart arbeitender und disziplinierter Nordkoreaner ausgeglichen werden. Russland kommt endlich davon ab, der westlichen Haltung gegenüber Nordkorea zu folgen, und hat damit begonnen, wieder freundschaftliche Beziehungen zu Pjöngjang aufzunehmen. Auch ist bekannt, dass Indien und Pakistan daran interessiert wären, zumindest saisonale Arbeitskräfte bereitzustellen.

Darüber hinaus wird Sibirien mit dem unvermeidlichen Klimawandel in den kommenden Jahrzehnten den Bereich komfortabler Lebensräume erweitern. Die Natur selbst lädt uns zu einer neuen Hinwendung nach Sibirien ein. Ich wiederhole es noch einmal: Durch die Schaffung und Umsetzung einer Strategie der Hinwendung nach Osten kehrt Russland nicht nur zur Quelle seiner Macht und Größe zurück, sondern öffnet auch neue Horizonte für künftige Generationen. Damit kann der wiedergeborene russische Traum verwirklicht werden: das Streben nach Größe und Wohlstand sowie der Wille, das Beste in uns zu verkörpern – den russischen Geist.

Übersetzt aus dem Englischen.

Professor Sergej Karaganow ist Ehrenvorsitzender des russischen Rates für Außen- und Verteidigungspolitik und akademischer Leiter der Schule für Internationale Wirtschaft und Außenpolitik der Hochschule für Wirtschaft (HSE) in Moskau.

Mehr zum Thema - Sergei Karaganow: Russland ist mit dem Westen endgültig fertig

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 Das hell leuchtende Jahr 2024 wird den Fortschritt eines vernetzten Eurasiens bestimmen

Das hell leuchtende Jahr 2024 wird den Fortschritt eines vernetzten Eurasiens bestimmen

Es wird im Jahr 2024 mindestens drei Pole mit Rückgrat, den Ressourcen, der Organisation, der Vision und dem Sinn für die universelle Geschichte geben, um den Kampf für ein gleichberechtigteres und gerechteres System auf die nächste Stufe zu heben: China, Russland und Iran.
 

Von Pepe Escobar

Zu Beginn des hell leuchtenden Jahres 2024 werden vier große Trends den Fortschritt eines vernetzten Eurasiens bestimmen.

Erstens: Die Integration der Finanz- und Handelswirtschaft wird zur Norm werden. Russland und Iran haben ihre Systeme für internationale Zahlungsanweisungen bereits integriert, wodurch das westliche und von den USA kontrollierte System SWIFT umgangen und in iranischem Rial und russischem Rubel gehandelt wird. Russland und China begleichen ihre Zahlungen bereits in Rubel und Yuan, wodurch die enorme chinesische Industriekapazität mit den enormen russischen Ressourcen verknüpft wurde.

Präsidentenberater: Russland wird sich nie wieder dem Westen zuwenden

Zweitens: Die wirtschaftliche Integration des postsowjetischen Raums, mit Schwerpunkt Eurasien, wird im Großen und Ganzen nicht so sehr über die Eurasische Wirtschaftsunion (EAWU) erfolgen, sondern vielmehr über die Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ).

Drittens: Es wird keine nennenswerten pro-westlichen Vorstöße im sogenannten Kernland geben: Die zentralasiatischen Staaten werden schrittweise in ein vereinigtes eurasisches Wirtschaftsgebiet integriert, die über die SOZ organisiert wird.

Viertens: Der Konflikt mit den USA wird sich verschärfen, da der Hegemon und seine Vasallen – die Europäische Union, Japan, Südkorea und Australien – gegen die eurasische Integration antreten werden, die durch die drei führenden BRICS-Staaten Russland, China und Iran, sowie die Demokratische Volksrepublik Korea und die arabische Welt in Form der BRICS-10 vertreten wird.

An der russischen Front hat der unnachahmliche Sergei Karaganow den Grundsatz formuliert: "Wir sollten unsere europäischen Wurzeln nicht leugnen, sondern wir sollten sie mit Sorgfalt behandeln. Schließlich hat uns Europa viel gegeben. Aber Russland muss vorankommen. Und vorwärts bedeutet nicht nach Westen, sondern nach Osten und Süden. Darin liegt die Zukunft der Menschheit."

Und das führt uns zum Drachen – im chinesischen Jahr des Drachen.

Die Wegweiser Mao und Deng Xiaoping

Im Jahr 2023 fanden satte 3,68 Milliarden Einzelfahrten auf dem chinesischen Bahnnetz statt – ein Allzeit-Rekord. China ist auf dem schnellsten Weg, bis 2030 weltweit führend im Bereich der künstlichen Intelligenz zu werden. Der chinesische Technologiegigant Baidu hat beispielsweise kürzlich ErnieBot herausgebracht, um mit ChatGPT zu konkurrieren. Künstliche Intelligenz breitet sich in China rasant in den Bereichen Gesundheitswesen, Bildung und Unterhaltung aus.

Effizienz ist der Schlüssel dazu. Chinesische Wissenschaftler haben den ACCEL-Chip entwickelt, der 4,6 Billiarden Berechnungen pro Sekunde durchführen kann – dies im Vergleich zum A100 von NVIDIA, der eine Leistung von 0,312 Billiarden Berechnungen pro Sekunde liefert. In China verlassen Jahr für Jahr nicht weniger als eine Million mehr Studenten in den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik (MINT) die Universitäten als in den USA. Das geht weit über künstlichen Intelligenz hinaus.

Asiatische Nationen finden sich bei Wettbewerben in Naturwissenschaften und Mathematik immer unter den besten 20 Prozent.

Das australische Institut für Strategische Politik (ASPI) ist in Bezug auf Geopolitik möglicherweise schlecht aufgestellt. Dennoch hat es zumindest der Öffentlichkeit einen Dienst erwiesen, indem es Nationen aufgelistet hat, die in 44 kritischen Technologiesektoren weltweit führend sind. China ist die Nummer eins und führt in 37 Sektoren. Die USA führen lediglich in sieben Sektoren. Alle anderen führen in keinem der Sektoren. Zu diesen Sektoren gehören Verteidigung, Raumfahrt, Robotik, Energie, Umwelt, Biotechnologie, fortschrittliche Materialien, wichtige Quantentechnologie und natürlich künstliche Intelligenz.

Wie aber ist China dorthin gekommen? Es ist heute ziemlich aufschlussreich, das Buch von Maurice Mesner aus dem Jahr 1996 noch einmal zu durchstöbern: "Die Deng-Xiaoping-Ära. Eine Untersuchung über das Schicksal des chinesischen Sozialismus von 1978 bis 1994".

Zunächst muss man wissen, was unter Mao passiert ist: "Von 1952 bis Mitte der 1970er Jahre stieg die landwirtschaftliche Nettoproduktion in China durchschnittlich um 2,5 Prozent pro Jahr, während die Zahl in der intensivsten Periode der japanischen Industrialisierung – von 1868 bis 1912 – bei 1,7 Prozent lag. Im gesamten Industriebereich in China stiegen alle Indikatoren: Stahlproduktion, Kohle, Zementproduktion, Holzproduktion, Elektrifizierung, Förderung von Rohöl, Herstellung von chemischem Dünger. Mitte der 1970er Jahre produzierte China auch eine beträchtliche Anzahl von Düsenflugzeugen, schweren Traktoren, Lokomotiven und modernen Hochseeschiffen. Die Volksrepublik wurde darüber hinaus zu einer bedeutenden Atommacht, einschließlich der Entwicklung von Interkontinentalraketen. Der erste erfolgreiche chinesische Atombombentest fand 1964 statt, die erste chinesische Wasserstoffbombe wurde 1967 gezündet und 1970 wurde ein chinesische Satellit in die Erdumlaufbahn gebracht."

Für all das war Mao verantwortlich. Er baute bis Mitte der 1970er Jahre China von einem der rückständigsten Agrarländer der Welt zur sechstgrößten Industriemacht um. Bei den meisten wichtigen sozialen und demographischen Indikatoren schnitt China in Asien nicht nur im Vergleich zu Indien und Pakistan wesentlich positiver ab, sondern auch im Vergleich zu Ländern mit mittlerem Einkommen, deren Pro-Kopf-BIP fünfmal so hoch war wie das in China.

Xi Jinping bringt nicht "Rotchina" zurück – es war niemals weg

All diese Durchbrüche wiesen für Deng Xiaoping den Weg: "Die erhöhten Erträge, die in der frühen Ära von Deng Xiaoping, durch einzelne Familienbetriebe erzielt wurden, wären nicht möglich gewesen ohne die riesigen Projekte zur Bewässerung und zum Hochwasserschutz – Dämme, Bewässerungsanlagen und Flussbegradigungen, die von landwirtschaftlichen Kolchosen in den 1950er und 1960er Jahren errichtet wurden."

Natürlich gab es Ausreißer – da der Tatendrang von Deng Xiaoping eine de facto kapitalistische Wirtschaft hervorbrachte, die von einer bürokratischen Bourgeoisie geleitet wurde: "Wie es in der Geschichte aller kapitalistischen Volkswirtschaften der Fall war, war die Macht des Staates maßgeblich an der Schaffung von Chinas Arbeitsmarkt beteiligt. Tatsächlich spielte in China ein äußerst repressiver Staatsapparat eine besonders direkte und erzwingende Rolle bei der Kommerzialisierung des Arbeitsmarkts. Ein Prozess, der mit einer Geschwindigkeit und einem Ausmaß voranschritt, der in der Geschichte beispiellos ist." Es bleibt eine unendliche Quelle der Debatte, inwieweit dieser fabelhafte wirtschaftliche große Sprung nach vorn unter Deng Xiaoping katastrophale soziale Folgen hatte.

Die Herrschaft der Schlechtesten

Während in der Ära von Xi Jinping das Drama definitiv in Angriff genommen und versucht wurde, es zu lösen, wurde es durch die ständige Einmischung der berüchtigten "strukturellen Widersprüche" zwischen China und dem US-Hegemon zusätzlich verkompliziert.

China-Bashing ist das politisch korrekte Spiel Nummer eins quer durch die Hallen der Macht in Washington – und das wird im Jahr 2024 zwangsläufig außer Kontrolle geraten. Geht man von einem Debakel der US-Demokraten im kommenden November aus, gibt es kaum Zweifel, dass eine republikanische Präsidentschaft – Trump hin oder her – den Kalten Krieg 3.0 auslösen wird, in dem China und nicht Russland als die größte Bedrohung angeprangert wird. Und dann ist da noch die soeben zu Ende gegangene Präsidenten- und Parlamentswahl in Taiwan. Wenn Kandidaten, die sich für die Unabhängigkeit einsetzen, gewinnen, werden die Spannungen in der Region exponentiell ansteigen. [Zum Zeitpunkt dieser Übersetzung sieht es ganz danach aus, dass es so gekommen ist – Anm. der Red.] Man stelle sich das nun in Kombination mit einem im Weißen Haus sitzenden China-Phobiker vor.

Selbst als China militärisch noch schwach war, hatte Washington weder im Korea- noch im Vietnam-Krieg Peking etwas entgegenzusetzen, wo Peking aktiv die jeweiligen Gegner der USA unterstützte. Die Wahrscheinlichkeit, dass Washington China jetzt auf einem Schlachtfeld im Südchinesischen Meer besiegen könnte, liegt bei weniger als null. Das US-amerikanische Dilemma ist somit als perfekter Sturm zusammengefasst. Die harte und die weiche Macht des US-Hegemons wurden durch die bevorstehende, gigantische Demütigung der NATO in der Ukraine, in Verbindung mit der Komplizenschaft des Westens beim Völkermord in Gaza, in einen dunklen Abgrund gestoßen.

Gleichzeitig steht die globale Finanzmacht des US-Hegemons vor einem schweren Schlag, da die strategische Partnerschaft zwischen Russland und China, als Führungsstaaten der BRICS-10, dem globalen Süden durchaus realistische Alternativen anbieten kann. Chinesische Gelehrte erinnern ihre westlichen Gesprächspartner immer gern daran, dass die Geschichte ein ständiger Spielplatz war, auf dem aristokratische und/oder plutokratische Oligarchien gegeneinander antraten. Der kollektive Westen wird nun zufällig von der giftigsten Variante der Plutokratie angeführt: Von der Kakistokratie – der Herrschaft der Schlechtesten.

Was die Chinesen zu Recht als "Nationen der Kreuzfahrer" bezeichnen, ist inzwischen erheblich erschöpft – wirtschaftlich, sozial und militärisch – und schlimmer noch: fast vollständig de-industrialisiert. Zumindest diejenigen unter den "Kreuzfahrern" mit einem funktionierenden Gehirn haben verstanden, dass die "Abkopplung" von China zu einer großen Katastrophe führen wird. Doch nichts davon beseitigt ihren arroganten und ignoranten Drang nach einem Krieg gegen China – auch wenn Peking bisher größte Zurückhaltung geübt hat, indem es keinen Vorwand bot, einen weiteren ewigen Krieg zu entfesseln.

Stattdessen kehrte Peking die Taktik des US-Hegemons um, indem es beispielsweise den Hegemon selbst und einige seiner Vasallen wie Japan und Südkorea, beim Import seltener Erden sanktioniert hat. Und als noch effektiver erweist sich der konzertierte Vorstoß Russlands und Chinas, den US-Dollar zu umgehen und den Euro zu schwächen – mit voller Unterstützung der Mitglieder der BRICS-10, der OPEC+, der Mitglieder der Eurasische Wirtschaftsunion und jener der meisten SOZ-Mitglieder.

Die unbekannte Variable Taiwan

Kurz gesagt, der chinesische große Plan ist etwas Wunderbares: die "regelbasierte internationale Ordnung" zu zertrümmern, ohne einen einzigen Schuss abfeuern zu müssen. Taiwan wird das wichtigste, noch nicht verwickelte Schlachtfeld bleiben. Grob lässt sich mit Fug und Recht argumentieren, dass die Mehrheit der Bevölkerung Taiwans keine Wiedervereinigung mit China will. Gleichzeitig wollen sie aber auch keinen von den USA gesteuerten Krieg mit China. Die Bevölkerung Taiwans will im Wesentlichen den aktuellen Status quo bewahren, während China es nicht eilig hat. Der große Plan von Deng Xiaoping sah eine Wiedervereinigung irgendwann vor 2049 vor.

Der US-Hegemon hingegen hat es enorm eilig: Wieder einmal dreht sich alles um "teilen und herrschen", was Chaos fördert und Chinas unaufhaltsamen Aufstieg destabilisieren soll. Peking verfolgt buchstäblich alles, was sich in Taiwan bewegt – anhand umfangreicher, akribischer Beobachtung. China weiß, dass Taiwan verhandeln muss, damit es in einem friedlichen Umfeld gedeihen kann, solange es noch etwas zum Verhandeln hat. Jeder Taiwanese mit einem funktionierenden Gehirn – und es gibt viele erstklassige helle Köpfe auf der Insel – weiß, er kann nicht erwarten, dass Staatsbürger der USA für ihn in den Tod ziehen werden. Vor allem, weil sie wissen, dass der US-Hegemon es nicht wagen wird, einen konventionellen Krieg mit China zu führen, weil er ihn verlieren wird – und zwar schwer. Das Pentagon hat alle Optionen ausgeschöpft. Und es wird auch keinen Atomkrieg wegen Taiwan geben.

Chinesische Gelehrte erinnern uns auch gern an die Zeit von 1644 bis 1912, als das Reich der Mitte unter der Qing-Dynastie völlig zersplittert und die chinesisch-mandschurische herrschende Klasse nicht in der Lage war, ihr Selbstbild aufzugeben und die notwendigen drakonischen Schritte zu ergreifen. Dasselbe gilt jetzt für die USA, als Reich der "Einzigartigkeit" – auch wenn sie regelmässig Purzelbäume schlagen müssen, um ihr eigenes, mythologisches Selbstbild zu bewahren. Man bedenke: Narziss ertrank in einem von ihm selbst geschaffenen Teich.

Man kann davon ausgehen, dass das Jahr des Drachen ein Jahr sein wird, in dem Souveränität vorherrschen wird. Hegemoniale Anfälle hybrider Kriegswut und Kollaborateurs-Eliten von Kompradoren werden allerdings Hindernisse sein, die den globalen Süden behindern werden. Dennoch wird es mindestens drei Pole mit Rückgrat, den Ressourcen, der Organisation, der Vision und dem Sinn für die universelle Geschichte geben, um den Kampf für ein gleichberechtigteres und gerechteres System auf die nächste Stufe zu heben: China, Russland und Iran.

Aus dem Englischen.

Pepe Escobar ist ein unabhängiger geopolitischer Analyst und Autor. Sein neuestes Buch heißt "Raging Twenties" (Die wütenden Zwanziger). Man kann ihm auf Telegram und auf X folgen.

Mehr zum Thema - Pepe Escobar: Russland und China unbeirrt auf dem Vormarsch

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Achse des Widerstands:
vom Donbass bis zum Gazastreifen

https://thecradle.co/articles/axis-of-resistance-from-donbass-to-gaza
Der Widerstand im Donbass und im Gazastreifen hat eine wesentliche gemeinsame Vision: den Sturz des unipolaren Hegemons, der ihre nationalen Bestrebungen zunichte gemacht hat.

16. FEBRUAR 2024

Bildnachweis: Die Wiege

Während meiner letzten schwindelerregenden Reise im Donbass, bei der ich die orthodoxen christlichen Bataillone verfolgte, die ihr Land , Noworossija, verteidigten, wurde mir deutlich, dass der Widerstand in diesen frisch befreiten russischen Republiken fast den gleichen Kampf führt wie seine Pendants in Westasien. Fast zehn Jahre nach dem Maidan in Kiew und zwei Jahre nach Beginn der russischen Sondermilitäroperation (SMO) in der Ukraine hat sich die Entschlossenheit des Widerstands nur noch vertieft. Es ist unmöglich, der Stärke, Widerstandsfähigkeit und dem Glauben der Menschen im Donbass, die an vorderster Front eines US-Stellvertreterkrieges gegen Russland stehen, in vollem Umfang gerecht zu werden.

Der Kampf, den sie seit 2014 führen, hat nun sichtbar seine Tarnung verloren und entpuppt sich im Kern als ein kosmischer Krieg des kollektiven Westens gegen die russische Zivilisation. Wie der russische Präsident Wladimir Putin in seinem Interview mit Tucker Carlson, das eine Milliarde Menschen weltweit sahen, sehr deutlich machte, ist die Ukraine Teil der russischen Zivilisation – auch wenn sie nicht Teil der Russischen Föderation ist. Der Beschuss ethnischer russischer Zivilisten im Donbass – der immer noch andauert – bedeutet also Angriffe auf Russland. Er teilt die gleiche Argumentation wie die Widerstandsbewegung Ansarallah im Jemen, die den israelischen Völkermord in Gaza als einen gegen „unsere Leute“ gerichteten Völkermord beschreibt: die Menschen in den Ländern des Islam.

Genauso wie der fruchtbare schwarze Boden von Noworossija der Ort war, an dem die „regelbasierte internationale Ordnung“ starb; Der Gazastreifen in Westasien – ein angestammtes Land, Palästina – könnte letztendlich der Ort sein, an dem der Zionismus zugrunde gehen wird. Sowohl die regelbasierte Ordnung als auch der Zionismus sind schließlich wesentliche Konstrukte der westlichen unipolaren Welt und der Schlüssel zur Durchsetzung ihrer globalen wirtschaftlichen und militärischen Interessen. Die heutigen glühenden geopolitischen Bruchlinien sind bereits definiert: der kollektive Westen gegen den Islam, der kollektive Westen gegen Russland und bald ein erheblicher Teil des Westens, wenn auch widerwillig, gegen China.

Dennoch ist ein ernsthafter Gegenschlag im Spiel.

So sehr die Achse des Widerstands in Westasien ihre „Schwarm“-Strategie weiter vorantreiben wird, können diese orthodoxen christlichen Bataillone im Donbass nur als Vorhut der slawischen Achse des Widerstands angesehen werden. Als sie diese Verbindung zwischen Schiiten und dem orthodoxen Christentum zwei Oberbefehlshabern in Donezk, nur zwei Kilometer von der Frontlinie entfernt, erwähnten, lächelten sie amüsiert, verstanden aber definitiv die Botschaft. Denn diese Soldaten sind wie kein anderer in Europa in der Lage, dieses verbindende Thema zu begreifen: An den beiden wichtigsten imperialen Fronten – Donbass und Westasien – verschärft sich die Krise des westlichen Hegemons und der Zusammenbruch beschleunigt sich.  

Die kosmische Demütigung der NATO in den Steppen von Noworossija spiegelt sich darin wider, dass die anglo-amerikanisch-zionistische Kombination schlafwandelnd in einen größeren Flächenbrand in ganz Westasien hineingeht – verzweifelt darauf beharrt, dass sie keinen Krieg will, während sie jeden Vektor der Achse des Widerstands bombardiert, mit Ausnahme des Iran (sie). kann nicht, weil das Pentagon alle Szenarien durchgespielt hat und sie alle den Untergang verkünden).

Wenn Sie an der Fassade dessen kratzen, wer in Kiew und Tel Aviv an der Macht ist und wer ihre Fäden zieht, werden Sie feststellen, dass dieselben Strippenzieher die Ukraine, Israel, die USA, das Vereinigte Königreich und fast alle NATO-Mitglieder kontrollieren.

Lawrow: „Keine Perspektiven“ zu Israel-Palästina

Russlands Rolle in Westasien ist recht komplex – und nuanciert. Oberflächlich betrachtet machen Moskaus Machtkorridore sehr deutlich, dass Israel-Palästina „nicht unser Krieg ist: Unser Krieg findet in der Ukraine statt.“ Gleichzeitig agiert der Kreml weiterhin als Vermittler und vertrauenswürdiger Friedensstifter in Westasien. Russland ist für diese Rolle möglicherweise einzigartig aufgestellt – es ist eine große Weltmacht, stark in der Energiepolitik der Region verankert, führend bei den aufstrebenden Wirtschafts- und Sicherheitsinstitutionen der Welt und unterhält solide Beziehungen zu allen wichtigen Staaten der Region.

Ein multipolares Russland – mit seiner großen Bevölkerung gemäßigter Muslime – verbindet sich instinktiv mit der Not der Palästinenser. Dann gibt es noch den BRICS+-Faktor, bei dem die derzeitige russische Präsidentschaft die volle Aufmerksamkeit der neuen Mitglieder Iran, Saudi-Arabien, Vereinigte Arabische Emirate und Ägypten auf sich ziehen kann, um neue Lösungen für das Palästina-Problem voranzutreiben.

Diese Woche in Moskau auf der 13. Nahost-Konferenz des Waldai-Klubs direkt Außenminister Sergej Lawrow kam zur Sache und betonte die Politik des Hegemons; und Wirkung, die Israel-Palästina in die Katastrophe treiben. Er spielte die Rolle des Friedensstifters Russland: Wir schlagen vor, „ein interpalästinensisches Treffen abzuhalten, um interne Spaltungen zu überwinden“. Und er lieferte auch das Gesicht der Realpolitik Russlands: Es gebe „derzeit keine Perspektiven für eine israelisch-palästinensische Regelung.“ Ein detaillierter Valdai-Bericht “ verbindet öffnete ein entscheidendes Fenster zum Verständnis der russischen Position, die Gaza und Jemen als „ Epizentren des Schmerzes .

Für den Kontext ist es wichtig, sich daran zu erinnern, dass Putins Sonderbeauftragter für westasiatische Angelegenheiten, der stellvertretende Außenminister ML Bogdanov, Ende letzten Monats eine Ansarallah-Delegation unter der Leitung von Mohammed Abdelsalam in Moskau empfing. Diplomatische Quellen bestätigen, dass sie ausführlich über alles gesprochen haben: das Schicksal einer umfassenden Lösung der militärisch-politischen Krise im Jemen, im Gazastreifen und im Roten Meer. Kein Wunder, dass Washington und London den Mut verloren haben.

„Die Palästina-Frage verschwinden lassen“

Der wohl kritischste Rundtisch in Valdai drehte sich um Palästina – und darum, wie man die Palästinenser vereinen kann. Nasser al-Kidwa, Mitglied des Palästinensischen Nationalrats (PNC) und ehemaliger Außenminister der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) (2005–2006), betonte die drei strategischen Positionen Israels, die alle auf die Aufrechterhaltung eines gefährlichen Status abzielen Quo:

Erstens versucht Tel Aviv, die Spaltung zwischen Gaza und dem besetzten Westjordanland aufrechtzuerhalten. Zweitens geht es laut Kidwa darum, „das eine oder andere zu schwächen und zu stärken, die nationale Führung zu verhindern, Gewalt und nur Gewalt anzuwenden, um die nationalen Rechte der Palästinenser zu unterdrücken und eine politische Lösung zu verhindern.“ Der dritte Punkt auf der Agenda Israels besteht darin, aktiv eine Normalisierung mit einer Reihe arabischer Länder voranzutreiben, ohne sich mit der Palästinenserfrage zu befassen, d. h. „die Palästinenserfrage verschwinden zu lassen“.

Kidwa betonte dann den „Untergang“ dieser drei strategischen Positionen – im Wesentlichen, weil Netanyahu versucht, den Krieg zu verlängern, „um sich selbst zu retten“ – was zu anderen wahrscheinlichen Ergebnissen führt: einer neuen israelischen Regierung; eine neue palästinensische Führung, „ob es uns gefällt oder nicht“; und eine neue Hamas. Damit sind laut Kidwa vier große Diskussionsfelder impliziert: der Staat Palästina; Gaza und der israelische Rückzug; Veränderung der palästinensischen Situation, ein Prozess, der innenpolitisch, „friedlich“ und „ohne Rache“ erfolgen sollte; und der Gesamtmechanismus vor uns.

Klar sei, sagt Kidwa, dass es keine „Zwei-Staaten-Lösung“ geben werde. Es geht um die Rückkehr zum Wesentlichen , nämlich die Bekräftigung des „Rechts auf nationale Unabhängigkeit Palästinas“ – ein Thema, über das man sich angeblich bereits vor drei Jahrzehnten in Oslo geeinigt hatte. Was den bevorstehenden Mechanismus betrifft, macht Kidwa keinen Hehl daraus, dass „das Quartett dysfunktional ist“. Er setzt seine Hoffnungen auf die von der EU unterstützte spanische Idee, „die wir modifiziert haben“. Es handelt sich im Großen und Ganzen um eine internationale Friedenskonferenz in mehreren Runden, die auf der Lage vor Ort in Gaza basiert.

Das werde mehrere Runden „mit einer neuen israelischen Regierung“ erfordern, die gezwungen sei, einen „Friedensrahmen“ zu entwickeln. Das Endergebnis muss das für die internationale Gemeinschaft akzeptable Mindestmaß sein, das auf unzähligen Resolutionen des UN-Sicherheitsrates basiert: Grenzen von 1967, gegenseitige Anerkennung und ein konkreter Zeitplan, der das Jahr 2027 sein könnte. Und entscheidend ist, dass es „von Anfang an eingehaltene Verpflichtungen“ festlegt Das Oslo-Publikum konnte es sich unmöglich vorstellen. Es ist ziemlich offensichtlich, dass nichts davon unter Netanjahu und dem derzeit dysfunktionalen Weißen Haus möglich sein wird.

Aber Kidwa gibt auch zu, dass wir auf palästinensischer Seite „keinen Maestro haben, der diese Elemente, Gaza und Westjordanland, zusammenfügt“. Dies ist natürlich ein strategischer politischer Erfolg der Israelis, die lange dafür gearbeitet haben, die beiden palästinensischen Gebiete im Streit zu halten, und jeden palästinensischen Führer ermordet haben, der in der Lage war, die Kluft zu überwinden. In Valdai stellte Amal Abou Zeid, eine Beraterin des ehemaligen libanesischen Präsidenten General Michel Aoun (2016–2022), fest, dass „der Gaza-Krieg ebenso wie der Krieg in der Ukraine die Grundlagen der regionalen Ordnung zerstörte“.

Die vorherige Ordnung war „wirtschaftszentriert als Weg zur Stabilität“. Dann kam am 7. Oktober die Hamas-Operation gegen Israel, die einen radikalen Wandel auslöste. Es habe „die Normalisierung zwischen Israel und dem Golf, insbesondere Saudi-Arabien, ausgesetzt“ und die politische Lösung der Palästina-Krise wiederbelebt. „Ohne eine solche Lösung“, betonte Zeid, sei die Bedrohung der Stabilität „regional und global“.

Damit sind wir wieder bei der Koexistenz zweier Staaten entlang der Grenzen von 1967 – dem unmöglichen Traum. Zeid hat jedoch Recht, dass es für die Europäer „unerreichbar ist, normale Beziehungen zu den Mittelmeerländern zu haben“, ohne das palästinensische Kapitel abzuschließen. Die EU muss den Friedensprozess vorantreiben.“ Niemand, von Westasien bis Russland, hält den Atem an, insbesondere da „der israelische Extremismus vorherrscht“, in der Palästinensischen Autonomiebehörde ein „Führungsvakuum“ herrscht und es „keine amerikanische Vermittlung“ gibt.

Alte Ideen gegen neue Spieler

Zaid Eyadat, Direktor des Zentrums für strategische Studien an der Universität von Jordanien, versuchte, eine konträre „rationalistische Perspektive“ einzunehmen. Es seien „neue Dynamiken“ im Spiel, argumentierte er und sagte: „Der Krieg ist viel größer als die Hamas und über Gaza hinaus.“ Doch Eyadats Aussichten sind düster. „Israel gewinnt“, beharrt er und widerspricht damit der gesamten Widerstandsachse der Region und sogar der arabischen Straße. Eyadat weist darauf hin, dass „die Palästinenserfrage wieder auf der Bühne steht – aber ohne den Wunsch nach einer umfassenden Lösung.“ Also werden die Palästinenser verlieren.“ Warum? Wegen eines „Ideenbankrotts“. Wie in „wie man etwas von einem Unhaltbaren in ein Vernünftigeres verwandelt.“ Und es ist die „regelbasierte Ordnung“, die den Kern dieses „moralischen Defizits“ bildet.

Solche Aussagen von gestern stehen im Widerspruch zu den widerstandsorientierten, multipolaren Visionären von heute. Während sich Eyadat über die Konkurrenz zwischen Israel und dem Iran, ein extremistisches und unkontrolliertes Tel Aviv, eine Spaltung zwischen Hamas und der Palästinensischen Autonomiebehörde und die Verfolgung eigener Interessen durch die USA ärgert, fehlt in dieser Analyse die Bodenschauplätze und der Anstieg des Multipolarismus weltweit.

Der „Schwarm“ der Achse des Widerstands in Westasien hat gerade erst begonnen und verfügt immer noch über eine Reihe militärischer und wirtschaftlicher Karten, die erst noch ins Spiel kommen müssen. Die slawische Widerstandsachse kämpft seit zwei Jahren ununterbrochen – und erst jetzt beginnt sie, ein mögliches Licht am Ende des (schlammigen) Tunnels zu erblicken, das mit dem Fall von Adveevka zusammenhängt.

Der Widerstandskrieg ist ein globaler Krieg, der bisher nur auf zwei Schlachtfeldern ausgetragen wurde. Aber ihre staatlichen Unterstützer sind hervorragende Spieler auf dem globalen Schachbrett von heute und verbuchen langsam Siege in ihren jeweiligen Bereichen. Während sich der Feind, der Hegemon, im wirtschaftlichen freien Fall befindet, ihm inländische Mandate für seine Kriege fehlen und er keinerlei Lösungen anbietet. Ob in der schlammigen schwarzen Erde des Donbass, an den Mittelmeerküsten von Gaza oder auf den wichtigsten Schifffahrtsstraßen der Welt: Hamas, Hisbollah, Hashd al-Shaabi und Ansarallah werden sich die nötige Zeit nehmen, um „Epizentren des Schmerzes“ in „Epizentren der Hoffnung“ zu verwandeln.“

Die in diesem Artikel geäußerten Ansichten spiegeln nicht unbedingt die von The Cradle wider.
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 Putin weiß genau, was auf dem globalen Schachbrett wirklich zählt

Putin weiß genau, was auf dem globalen Schachbrett wirklich zählt

Der russische Präsident Wladimir Putin sieht deutlich, wie sich die Konstellation auf dem globalen Schachbrett derzeit darstellt. Und er sieht auch, dass die "Ukraine" eigentlich gar nicht mehr existiert. Welchen Sinn sollte es also machen, nach Kiew vorzustoßen?
 

Von Pepe Escobar

Das Treffen von Präsident Putin mit einer Gruppe russischer Kriegskorrespondenten und Telegram-Blogger – darunter Filatov, Poddubny, Pegov von War Gonzo, Podolyaka und Gazdiev von RT – war ein außergewöhnliches Fest der Pressefreiheit.

Unter den geladenen Gästen befanden sich zudem unabhängige Journalisten, die der Art und Weise, wie der Kreml und das Verteidigungsministerium das durchführen, was man wahlweise als spezielle Militäroperation, Anti-Terror-Operation oder "Beinahe-Krieg" bezeichnen könnte, sehr kritisch gegenüberstehen. Es ist faszinierend zu beobachten, wie diese patriotischen und unabhängigen Journalisten nun eine ähnliche Rolle spielen wie die ehemaligen politischen Kommissare in der UdSSR, und wie sie sich alle auf ihre eigene Weise zutiefst dafür einsetzen, die russische Gesellschaft dazu zu bringen, den Sumpf langsam, aber sicher trockenzulegen.

Nicht nur versteht Putin die Rolle dieser Journalisten, sondern er setzt die Vorschläge dieser Journalisten gelegentlich auch in die Tat um. Als Auslandskorrespondent, der seit fast 40 Jahren auf der ganzen Welt arbeitet, war ich ziemlich beeindruckt von der Art und Weise, wie russische Journalisten ein Maß an Freiheit genießen, das in den meisten Breitengraden des kollektiven Westens mittlerweile unvorstellbar geworden ist.

Das Protokoll des Treffens zeigt, dass Putin definitiv nicht geneigt ist, um den heißen Brei herumzureden. Er räumte unumwunden ein, dass es in der Armee "Operettengeneräle" gibt; dass ein Mangel an Drohnen, Präzisionsmunition und Kommunikationsausrüstung herrscht, was nun jedoch behoben werden soll. Er sprach die Legalität von Söldnerunternehmen an; sprach über die Notwendigkeit, früher oder später eine "Pufferzone" einzurichten, um die russischen Bürger vor dem systematischen Beschuss durch das Kiewer Regime zu schützen und betonte, dass Russland den von Bandera inspirierten Terrorismus nicht mit Terrorismus erwidern wird.

Nach der Analyse des Austauschs zwischen Präsident Putin und den eingeladenen Journalisten ist eine Schlussfolgerung zwingend: Die russischen Kriegsmedien führen keine Offensive durch, auch wenn der kollektive Westen Russland rund um die Uhr mit seinem massiven NGO-/Soft-Power-Medienapparat angreift. Moskau hat sich nicht – oder noch nicht – vollständig in die Schützengräben des Informationskrieges verschanzt. Wie es jetzt aussieht, spielen die russischen Medien auf Verteidigung.

Marsch bis nach Kiew?

Das wohl wichtigste Zitat der gesamten Begegnung ist Putins prägnante, erschreckende Einschätzung dessen, wo wir uns auf dem globalen Schachbrett gerade befinden:

"Wir mussten versuchen, den Krieg, den der Westen 2014 begann, mit Waffengewalt zu beenden. Und Russland wird diesen Krieg mit Waffengewalt beenden und das gesamte Territorium der ehemaligen Ukraine von den Vereinigten Staaten und den ukrainischen Nazis befreien. Es gibt keine anderen Optionen. Die ukrainische Armee der USA und der NATO wird besiegt werden, egal welche neuen Waffensysteme sie vom Westen erhält. Je mehr Waffen geliefert werden, desto weniger Ukrainer und desto weniger der ehemaligen Ukraine wird übrig bleiben. Auch eine direkte Intervention der europäischen NATO-Streitkräfte wird an diesem Ergebnis nichts ändern. Nur dass in diesem Fall das Feuer des Krieges ganz Europa verschlingen würde. Aber es sieht so aus, als wären die USA auch dazu bereit."

Kurz: Dieser Konflikt wird nur zu den Bedingungen Russlands enden, und nur dann, wenn Moskau feststellt, dass alle gesteckten Ziele erreicht wurden. Alles andere ist Wunschdenken.

Zurück an der Front hat der erstklassige Kriegsberichterstatter Marat Kalinin schlüssig dargelegt, dass es der aktuellen ukrainischen Brechzangen-Gegenoffensive nicht einmal gelungen ist, die erste russische Verteidigungslinie zu erreichen, und dass sie noch zehn Kilometer vom Höllenschlund entfernt ist. Alles, was die größte jemals versammelte Stellvertreterarmee der NATO bisher erreichen konnte, war, in einem industriellen Ausmaß gnadenlos abgeschlachtet zu werden.

Es betritt die Bühne: General Armageddon

General Sergei Surowikin hatte acht Monate Zeit, um sich in der Ukraine einzugraben, und er verstand von Anfang an genau, wie er daraus ein völlig neues Spiel machen kann. Seine Strategie besteht offenbar darin, die ukrainischen Streitkräfte zwischen der ersten Verteidigungslinie – sofern sie diese jemals durchbrechen werden – und der zweiten Verteidigungslinie vollständig zu vernichten, was einen gewissen Kraftakt darstellt. Die dritte Linie bleibt ein Tabu.

Erwartungsgemäß gerieten die kollektiven Massenmedien des Westens in Panik, berichteten schließlich doch über die horrenden ukrainischen Verluste und belegten damit die geballte Inkompetenz der Kiewer Hinterhofschläger und ihrer NATO-Helfer. Und für den Fall, dass es schwierig werden sollte – was vorerst kaum möglich ist –, hat Putin, leise, leise, selbst den weiteren Fahrplan geliefert. "Brauchen wir einen Marsch auf Kiew? Wenn ja, brauchen wir eine neue Mobilisierung; wenn nicht, brauchen wir sie nicht. Derzeit besteht kein Bedarf an einer Mobilisierung."

Das entscheidende Wort war "derzeit".

Das Ende aller ausgefeilten Pläne

Unterdessen sind sich die Russen abseits des Schlachtfelds der hektischen geoökonomischen Aktivität sehr wohl bewusst.

Moskau und Peking wickeln ihren Handel zunehmend in Rubel und Yuan ab. Die ASEAN-Staaten setzen auf regionale Währungen und umgehen damit den US-Dollar. Indonesien und Südkorea beschleunigen den Handel mit der Rupie und dem Won. Pakistan bezahlt russisches Öl in chinesischen Yuan. Die Vereinigten Arabischen Emirate und Indien vertiefen den Nicht-Öl-Handel in Rupien. Scharenweise machen sich diese Staaten daran, den BRICS+ beizutreten – was den verzweifelten Hegemon USA dazu zwingt, eine Reihe hybrider Kriegstechniken einzusetzen.

Viel Wasser ist die Flüsse hinuntergeflossen, seit Putin Anfang der 2000er-Jahre das globale Schachbrett analysierte und anschließend ein staatliches Programm für die Entwicklung und die Produktion von Verteidigungs- und Angriffsraketen ins Leben rief. In diesen 23 Jahren entwickelte Russland Hyperschallraketen, fortschrittliche Interkontinentalraketen und die modernsten Verteidigungsraketen der Welt. Russland hat das Wettrüsten in der Raketentechnologie gewonnen. Punkt. Der Hegemon – besessen von seinem selbst angezettelten Krieg gegen den Islam – wurde völlig überrumpelt und machte in fast zweieinhalb Jahrzehnten keine nennenswerten Fortschritte in der Raketentechnologie. Jetzt besteht die "Strategie" der USA darin, aus dem Nichts eine "Taiwan-Frage" heraufzubeschwören, mit der das globale Schachbrett für einen uneingeschränkten hybriden Krieg gegen Russland und China neu konfiguriert werden soll.

Der Stellvertreterkrieg gegen den russischsprachigen Donbass mithilfe der Kiewer Kriegshyänen, angestachelt von den Neokonservativen in Washington, die die US-Außenpolitik ganz wesentlich zu verantworten haben, hat zwischen 2014 und 2022 die Leben von mindestens 14.000 Männern, Frauen und Kindern gefordert. Gleichzeitig war dies ein Angriff auf China. Das ultimative Ziel der Methode "teile und herrsche" bestand darin, Chinas Verbündetem Russland eine Niederlage beizubringen, um Peking zu isolieren.

Gemäß dem feuchten Traum der Neokonservativen hätte all das dem Hegemon USA ermöglichen sollen, Russland erneut in jener Art und Weise zu übernehmen, wie man es bereits in der Ära Jelzin unternommen hatte, und gleichzeitig China mit US-Flugzeugträger-Einsatzgruppen und zahlreichen U-Booten von den russischen natürlichen Ressourcen abzuschneiden.

Offensichtlich sind sich die Neokonservativen in Washington, mit ihren eingeschränkten militärischen Kenntnissen, der Tatsache nicht bewusst, dass Russland mittlerweile die stärkste Militärmacht auf dem Planeten ist. In der Ukraine hofften die Neokonservativen, dass eine gezielte Provokation Moskau dazu veranlassen würde, neben Hyperschallraketen auch andere geheime Waffensysteme einzusetzen, damit Washington sich besser auf einen umfassenden Krieg mit Russland vorbereiten kann.

All diese ausgefeilten Pläne scheinen jedoch kläglich gescheitert zu sein. Eine Konstante hingegen bleibt: Die Neokonservativen in Washington glauben fest daran, dass sie ein paar Millionen Europäer für ihre Zwecke instrumentalisieren können. Wer also kommt als Nächstes dran? Die Polen? Esten? Letten? Litauer? Und warum nicht auch die Deutschen, die im Ersten und Zweiten Weltkrieg genauso Kanonenfutter für die USA waren und zwischen den Bergen europäischer – einschließlich russischer – Leichen kämpften, die für die Machtübernahme durch die Angelsachsen geopfert wurden.

Währenddessen arbeitet die fünfte Kolonne Washingtons in Europa daran, es den Europäern leichter zu machen, den USA zu "vertrauen" und darauf zu vertrauen, dass die USA Europa "beschützen" werden, während die Wenigen, deren IQ über Raumtemperatur liegt, verstanden haben, wer tatsächlich die Pipelines Nord Stream 1 und 2 gesprengt hat – und das mit der Duldung von Bundeskanzler Olaf "Leberwurst" Scholz. Die Quintessenz dessen ist, dass der Hegemon ein souveränes, autarkes Europa schlichtweg nicht akzeptieren kann. Nur ein abhängiger Vasall, den die USA kontrollieren können, ist genehm. 

Putin sieht deutlich, wie sich die Konstellation auf dem globalen Schachbrett derzeit darstellt. Und er sieht auch, dass die "Ukraine" im Grunde genommen schon gar nicht mehr existiert. Während alle abgelenkt waren, verkaufte die Kiewer Bande die Ukraine im vergangenen Monat für 8,5 Billionen US-Dollar an die US-amerikanische Investmentgesellschaft BlackRock. Einfach so. Der Deal wurde zwischen der Regierung der Ukraine und dem Vizepräsidenten von BlackRock, Philipp Hildebrand, besiegelt. BlackRock richtet einen sogenannten Ukrainischen Entwicklungsfonds (UDF) für den "Wiederaufbau" ein, der sich auf Energie, Infrastruktur, Landwirtschaft, Industrie und IT konzentrieren soll. Alle verbleibenden wertvollen Vermögenswerte in der Restukraine werden von BlackRock verschlungen: von Metinvest, DTEK (Energie) und MJP (Landwirtschaft) bis hin zu Naftogaz, der Ukrainischen Eisenbahn, Ukravtodor und Ukrenergo.

Welchen Sinn macht es also noch, nach Kiew vorzustoßen? Der hochgradig toxische Neoliberalismus feiert bereits fröhliche Urständ an jener Stelle, an der sich früher die Ukraine befand.

Aus dem Englischen. Zuerst erschienen bei Strategic Culture.

Pepe Escobar ist ein unabhängiger geopolitischer Analyst und Autor. Sein neuestes Buch heißt "Raging Twenties" (Die wütenden Zwanziger). Man kann ihm auf Telegram und auf Twitter folgen.

Mehr zum Thema - Putin und die Kriegsreporter Teil I: "Wir haben Pläne unterschiedlicher Art" ; Teil II

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Die De-Dollarisierung läuft auf Hochtouren, und der Hegemon blutet von innen aus 
 

Die De-Dollarisierung läuft auf Hochtouren, und der Hegemon blutet von innen aus

Der US-Dollar ist für die globale Machtprojektion der USA von wesentlicher Bedeutung. Aber im Jahr 2022 rutschte der Dollaranteil der weltweiten Reservewährungen zehnmal schneller ab als im Durchschnitt der vergangenen zwei Jahrzehnte davor.
 

Von Pepe Escobar

Es steht nun fest, dass der Status des US-Dollars als globale Reservewährung erodiert. Wenn die westlichen Konzernmedien beginnen, die De-Dollarisierung der multipolaren Welt ernsthaft anzugreifen, dann weiß man, dass die Panik in Washington eingesetzt hat.

Zuerst die nackten Zahlen: Im Jahr 2001 betrug der Dollaranteil an den globalen Währungsreserven 73 Prozent, in der Folge fiel er bis zum Jahr 2021 auf 55 Prozent und sank schließlich im Jahr 2022 auf 47 Prozent. Die wichtigste Erkenntnis daraus ist, dass der Dollaranteil der weltweiten Reservewährungen zehnmal schneller abgenommen hat als im Durchschnitt der vergangenen zwei Jahrzehnte davor. Somit ist es nicht mehr weit hergeholt, um bis Ende 2024, zeitgleich mit dem beginnenden US-Präsidentschaftswahlkampf, einen globalen Dollaranteil von nur noch 30 Prozent zu erwarten.

Der entscheidende Moment – der eigentliche Auslöser, der zum Sturz des US-Dollars führte – war im Februar 2022, als über 300 Milliarden US-Dollar an russischen Devisenreserven im Ausland vom kollektiven Westen "eingefroren" wurden und jedes andere Land auf diesem Planeten plötzlich damit begann, sich um die eigenen ausländischen Devisenreserven in US-Dollar Sorgen zu machen. Dieser absurde Schritt des kollektiven Westens hat jedoch eine komische Pointe: Die EU kann das meiste der russischen Devisenreserven "nicht finden".

Kommen wir nun zu einigen aktuellen wesentlichen Entwicklungen an der Handelsfront. Über 70 Prozent der Handelsgeschäfte zwischen Russland und China verwenden laut dem russischen Finanzminister Anton Siluanow jetzt entweder den Rubel oder den Yuan. Russland und Indien handeln Öl in Rupie. Vor weniger als vier Wochen war die Banco Bocom BBM die erste lateinamerikanische Bank, die als Teilnehmer dem grenzüberschreitenden Interbanken-Zahlungssystem (CIPS) beitrat, der chinesischen Alternative zum westlichen Interbanken-Zahlungssystem SWIFT.

Chinas Öl- und Gasriese CNOOC und Frankreichs TOTAL unterzeichneten ihren ersten Handel mit verflüssigtem Erdgas (LNG) über die Shanghaier Petroleum- und Erdgas-Börse in Yuan. Auch das Abkommen zwischen Russland und Bangladesch, zum Bau des Kernkraftwerks in Rooppur, wird den US-Dollar umgehen. Die erste Tranche im Wert von 300 Millionen US-Dollar wird in Yuan erfolgen, aber Russland wird versuchen, die nächste Tranche in Rubel zu bekommen. Der bilaterale Handel zwischen Russland und Bolivien akzeptiert jetzt Abrechnungen in der bolivianischen Landeswährung. Das ist äußerst relevant, wenn man bedenkt, dass Rosatom ein entscheidender Player bei der Erschließung von Lithiumvorkommen in Bolivien sein will.

Bemerkenswert ist, dass viele dieser Handelsgeschäfte die Länder der BRICS betreffen – aber sie gehen auch darüber hinaus. Mindestens 19 Nationen haben bereits beantragt, BRICS+ beizutreten, der erweiterten Version der wichtigsten multipolaren Institution des 21. Jahrhunderts, deren Gründungsmitglieder Brasilien, Russland, Indien und China sowie Südafrika sind. Die Außenminister der ursprünglichen fünf Mitglieder werden bei einem bevorstehenden Gipfeltreffen im Juni in Kapstadt mit der Erörterung der Beitrittsmodalitäten für neue Mitglieder beginnen. BRICS ist in seiner jetzigen Form bereits relevanter für die Weltwirtschaft als die G7. Die neuesten Zahlen des IWF zeigen, dass die bestehenden fünf BRICS-Staaten 32,1 Prozent zum globalen Wachstum beitragen, verglichen mit 29,9 Prozent der G7.

Mit Iran, Saudi-Arabien, den Vereinigten Arabischen Emiraten, der Türkei, Indonesien und Mexiko als mögliche neue Mitglieder wird klar, dass die wichtigsten Akteure des Globalen Südens damit beginnen, sich auf diese fundamentale multilaterale Institution auszurichten, die in der Lage ist, die westliche Hegemonie zu zerschlagen. Der russische Präsident Wladimir Putin und der saudische Kronprinz Mohammad bin Salman kooperieren völlig Hand in Hand, während Moskaus Partnerschaft mit Riad in der OPEC+, sich parallel zur Vertiefung der strategischen Partnerschaft zwischen Russland und dem Iran in BRICS+ entwickelt.

Mohammad bin Salman hat Saudi-Arabien bewusst in Richtung des neuen eurasischen Machttrios Russland-Iran-China gelenkt und weg von den USA. Das neue Spiel in ganz Westasien wird das aufkommende BRIICSS sein – bei dem bemerkenswerterweise sowohl der Iran als auch Saudi-Arabien mitspielen werden, deren historische Aussöhnung von China, einem weiteren BRICS-Schwergewicht, vermittelt wurde. Wichtig ist, dass die sich entwickelnde iranisch-saudische Annäherung auch eine viel engere Beziehung zum Golf-Kooperationsrat (GCC) als Ganzes und zur strategischen Partnerschaft zwischen Russland und China einschließt.

In Bezug auf Konnektivität beim Handel und bei den Zahlungssystemen wird sich dies in komplementären Rollen manifestieren: Beim Internationalen Nord-Süd-Transportkorridor (INSTC), der Russland, Iran und Indien verbindet, und beim Wirtschaftskorridor China-Zentralasien-Westasien, einem Hauptpfeiler von Pekings ehrgeiziger Multimilliarden schweren Belt-and-Road-Initiative (BRI).

Heute läuft nur Brasilien mit seinem von den Amerikanern eingeengten Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva und seiner unberechenbaren Außenpolitik Gefahr, von den BRICS in den Status eines Nebenakteurs verbannt zu werden.

Jenseits von BRIICSS

Der Zug der De-Dollarisierung wurde durch die kumulierten Auswirkungen des mit COVID-19 ausgelösten Chaos bei den Lieferketten und der kollektiven westlichen Sanktionen gegen Russland auf Hochgeschwindigkeit gefahren.

Sergei Glasjew: Der lange und steinige Weg zur multipolaren Finanzwelt
Analyse  
Sergei Glasjew: Der lange und steinige Weg zur multipolaren Finanzwelt

Der wesentliche Punkt ist folgender: Die BRICS haben die Rohstoffe und die G7 kontrollieren die Finanzmärkte. Letztere können keine Rohstoffe abbauen, aber erstere können Währungen erschaffen – insbesondere wenn der Wert dieser Währungen an Sachwerte wie Gold, Öl, Mineralien und andere natürliche Ressourcen gekoppelt ist. Der wohl wichtigste Faktor ist, dass sich die Einpreisung bei Öl und Gold bereits nach Russland, China und Westasien verlagert. In der Folge bricht die Nachfrage nach auf US-Dollar lautenden Anleihen langsam aber sicher ein. Billionen von US-Dollar werden unweigerlich liegen bleiben – was die Kaufkraft des Dollars und seinen Wechselkurs erschüttern wird. Der Zusammenbruch einer zur Waffe gemachten Währung wird am Ende die gesamte Logistik hinter dem globalen Netzwerk der USA aus über 800 Militärbasen und deren Betriebskosten zerstören.

Seit dem Wirtschaftsforum der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (CSI) im vergangenen März in Moskau wird zudem darüber diskutiert, eine weitere Integration zwischen der CSI, der Eurasischen Wirtschaftsunion (EAWU), der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ) und der BRICS voranzutreiben. Der Umstand, dass es eurasische Organisationen sind, die den Gegenentwurf zum gegenwärtigen, vom Westen geführten System koordinieren, mit dem das Völkerrecht mit Füßen getreten wird, war nicht zufällig eines der Schlüsselthemen in der Rede des russischen Außenministers Sergei Lawrow vor der UNO Ende April. Und es ist auch kein Zufall, dass die vier Mitgliedsstaaten der GUS – Russland und die drei zentralasiatischen ehemaligen Sowjetrepubliken – im Juni 2001 gemeinsam mit China die SOZ gegründet haben.

Die globalistische Truppe rund um Davos und ihrem "Great Reset" erklärte den fossilen Energieträgern praktisch unmittelbar nach dem Beginn der russischen Militäroperation in der Ukraine den Krieg. Sie forderte die OPEC+ ultimativ auf, Russland zu isolieren – oder die Konsequenzen zu tragen – ist aber damit demütigend grandios gescheitert. Die OPEC+, die faktisch von der Achse Moskau-Riad betrieben wird, kontrolliert jetzt den globalen Ölmarkt.

Die westlichen Eliten sind in Panik geraten. Besonders nachdem Lula da Silva auf chinesischem Boden, während seines Besuchs bei Xi Jinping, eine Bombe platzen ließ, indem er den gesamten Globalen Süden dazu aufforderte, den US-Dollar im internationalen Handel durch eigene Währungen zu ersetzen.

Christine Lagarde, Präsidentin der Europäischen Zentralbank (EZB), warnte kürzlich vor der in New York ansässigen Denkfabrik Council of Foreign Relations – dem Herzstück der Denkmatrix des US-Establishments –, dass "die geopolitischen Spannungen zwischen den USA und China die Inflation um fünf Prozent erhöhen und die Dominanz des US-Dollar und des Euro bedrohen könnten." Die gleichgeschaltete Antwort in den westlichen Mainstream-Medien darauf war, dass die Volkswirtschaften der BRICS, die ungebrochen mit Russland handeln, "neue Probleme für den Rest der Welt schaffen". Das ist völliger Unsinn: Es schafft nur Probleme für den US-Dollar und den Euro.

Der kollektive Westen ist in die "Straße der Verzweiflung" eingebogen – zeitgleich mit der erstaunlichen Ankündigung einer erneuten Kandidatur von Joe Biden, zusammen mit Kamala Harris, für die US-Präsidentschaftswahlen 2024. Das bedeutet, dass die Neokonservativen in der US-Regierung von Biden ihre Versuche, bis 2025 einen industriellen Krieg gegen Russland und China zu entfesseln, weiter verstärken werden.

Der Petroyuan kommt

Und das bringt uns zurück zur De-Dollarisierung und wodurch die hegemoniale globale Reservewährung ersetzt werden wird. Heute repräsentiert der Golf-Kooperationsrat mehr als 25 Prozent der weltweiten Ölexporte, wobei 17 Prozent auf Saudi-Arabien fallen. Mehr als 25 Prozent der chinesischen Ölimporte stammen aus Saudi-Arabien. Und China ist erwartungsgemäß der wichtigste Handelspartner des Golf-Kooperationsrats.

Die Shanghaier Petroleum- und Erdgas-Börse nahm im März 2018 ihren Betrieb auf. Jeder Ölproduzent, egal von wo, kann heute in Shanghai in Yuan verkaufen. Damit verschieben sich die Kräfteverhältnisse an den Ölmärkten bereits jetzt vom US-Dollar zum Yuan.

Der Haken ist, dass die meisten Ölproduzenten es vorziehen, keine großen Vorräte an Yuan zu halten, schließlich sind alle noch an den Petrodollar gewöhnt. Aber jetzt hat Peking die Bühne betreten und den Handel mit Rohöl in Shanghai mit der Umwandlung von Yuan in Gold verknüpft. Und das alles, ohne die massiven Goldreserven Chinas anzutasten. Dieser einfache Vorgang erfolgt über Goldbörsen in Shanghai und Hongkong, die nicht zufällig das Herzstück einer neuen Währung zur Umgehung des Dollars bilden sollen, wie es von der EAWU diskutiert wird. Das Ende des Dollars kennt bereits einen Mechanismus: die volle Nutzung der zukünftigen Ölkontrakte der Shanghai Energie-Börse in Yuan. Das ist der bevorzugte Weg, um das Ende des Petrodollars einzuläuten.

Die globale Machtprojektion der USA basiert im Wesentlichen auf der Kontrolle der globalen Währungen. Diese wirtschaftliche Kontrolle liegt der Doktrin der "Vollspektrum-Dominanz" des Pentagons zugrunde. Doch jetzt liegt selbst diese militärische Projektion in Trümmern, da Russland einen vorerst unerreichbaren Vorsprung bei Hyperschallraketen innehält und sowohl Russland, China und der Iran in der Lage sind, eine Reihe von Raketen einzusetzen, um US-Trägergruppen zu versenken.

Der Hegemon – der sich an einen giftigen Cocktail aus Neoliberalismus, Sanktionsgier und weltweit ausgesprochenen Drohungen klammert – blutet von innen aus. Die De-Dollarisierung ist eine unvermeidliche Reaktion auf einen Zusammenbruch des bisherigen Systems.

Ganz im Sinne des chinesischen Militärstrategen Sun Tzu, ist es kein Wunder, dass die strategische Partnerschaft zwischen Russland und China nicht die Absicht zeigt, den Gegner zu unterbrechen, während er so sehr damit beschäftigt ist, sich selbst zu besiegen.

Aus dem Englischen.

Pepe Escobar ist ein unabhängiger geopolitischer Analyst und Autor. Sein neuestes Buch heißt "Raging Twenties" (Die wütenden Zwanziger). Er wurde von Facebook und Twitter aus politischen Gründen verbannt, aber man kann ihm auf Telegram folgen.

Mehr zum Thema - Globaler Süden: Rohstoffgedeckte Währungen sollen US-Dollar ersetzen

 

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